Glosse 4
Wie mir Niki Pilic den isolierten Wert des Mindsets zeigte
und mir gleich auch meine Vorhand repariert hatte!
Ich bin selbst, wie man so sagt, ein nicht so schlechter Spieler.
„Es gibt bessere Spieler in meinem Alter, aber Gott sei Dank gibt es nicht allzu viele, die erfolgreicher sind!“, würde ich das selbst einschätzen.
Ich erwähne diese Qualifikation, die zwar für einen ganz normalen Handwerksbetrieb einer Tennisschule einigermaßen gut ist, eigentlich nicht gerne, weil ich denke, dass man davon ausgehen kann, dass ein Tennislehrer Tennis spielen kann; ich gehe auch davon aus, dass mein Installateur mit seinem Werkzeug einigermaßen geschickt umgehen kann und brauche keinen Beleg dafür, solange er mir meine kaputte Dusche reparieren kann.
Ich habe eher durch zufällige Umstände in der Niki Pilic Akademie gearbeitet; in einer Umgebung also, in der erweiterte nationale Spitzenklasse ungefähr die gleiche Bedeutung hatte, wie wenn du dir als Manager eines Golfclubs in der Nähe von Hollywood einen 3er BMW, nach 2 Jahren Sparen, als Jahreswagen bar kaufen kannst.
Ich hatte dort schon mindestens 7 Jahre gearbeitet und mit Niki Pilic mehr Zeit verbracht als mit meiner Frau, ich habe jeden Tag auf dem Platz neben ihm Training gegeben, damit er kurze Wege hatte, wenn ihm gerade wieder irgendein organisatorisches Problem eingefallen war und dieses für ihn dann in dem Moment erledigt war, wenn er es „die Heinz“ gesagt hatte.
Und trotzdem hätte ich damals, wenn ich in der Nacht schweißgebadet aufgewacht war, angesichts der organisatorischen Angelegenheiten, die Pilic auf dem ersten Platz spielend eingefallen sind und die er auf den zweiten Platz rüberdiktiert hatte (zu „die Heinz“), auf die potentielle Frage, ob Pilic überhaupt weiß, dass ich Tennis spiele, die Antwort geben müssen: „Vielleicht, aber vielleicht auch nicht!“
Nun, er wusste es, wie ich durch Zufall erfahren hatte; ich habe ein DTB-Turnier-Finale gespielt und er war zugegen, weil wir am nächsten Tag, am Montag, einen frühen gemeinsamen Geschäftstermin in dieser Stadt hatten und er deshalb einen Flug am Sonntag-Mittag nehmen musste und er über seine Kaffeetasse hinweg von der Terrasse aus mein Finale sehen musste.
Nachdem ihn der Geschäftstermin gelangweilt hatte, hat er dann auf der Rückfahrt in meinem Auto (war noch nicht einmal ein 3er BMW-Jahreswagen und auch nicht bar bezahlt, sondern finanziert – war aber auch nicht Manager in Hollywood sondern nur Geschäftsführer, Hausmeister und Aushilfstrainer bei Pilic in München) richtig aufgedreht und hat mir ein absolutes Highlight-Erlebnis für mein persönliches Tennis, aber noch viel mehr für mein allgemeines Tennisverständnis verschafft.
„Darf ich Dir was sagen zu Deine Vorhand?“ legte er los!
Schon einmal eine interessante Einleitung; es gibt nicht viele Menschen auf diesem Planeten, die mir zu meiner Vorhand was sagen dürfen, aber Pilic gehört ganz sicher dazu und der frägt interessanterweise vorher, ob ich das hören will!
Um die Analyse zu verstehen, muss man wissen, dass ich ein klassischer „Vorhand-Patient“ bin, der zwar die Vorhand „ziemlich gut dafür kann, dass er sie nicht kann“; sprich an guten Tagen, die noch nicht einmal ganz selten sind, höre ich schon mal den einen oder anderen Gegnercoach sagen: „Du darfst ihm nicht auf die Vorhand spielen!“ Aber an schlechten Tagen müsste man Fahrradhelme an die Zuschauer verteilen, wenn ich die Vorhand durchziehen würde, was ich dann natürlich nicht mache, sondern sie nur irgendwie reinspiele.
Jedenfalls hat Pilic das so analaysiert:
„Du glaubst, dass deine Vorhand schlecht ist! Das ist eine schlechte Analyse: deine Vorhand ist nicht schlecht, sie ist nur fragil!
Du musst endlich nüchtern erkennen, wo diese Fragilität auftritt und das weißt du eigentlich auch, aber du lässt dich von einem Romantizismus treiben und in diesem auch wohligen Gefühl der Selbstzerfleischung gefangen halten.
Es gibt 4 Treffpunkthöhen bei jedem Grundschlag: fallend tief, fallend hoch, aufsteigend hoch und aufsteigend tief.
Deine Vorhand ist großartig wenn du sie fallend tief spielst und 'rumzupfst wie Nadal; noch besser ist sie, wenn du sie in der aufsteigenden Phase spielst und zwar egal ob tief oder hoch („wenn du machst die Zack-Zack“ war das lautmalerisch geniale Originalzitat); das einzige, was du nicht allzu gut kannst und dort ist ,die home of Fragilität deiner Vorhandʻ, ist in der fallenden Phase hoch.
Das ärgert deinen Spielertypus immer besonders, weil das für viele ,Blindeʻ, die weit unter deinem Niveau spielen, der leichteste Treffpunkt ist und du ihn trotzdem nicht besonders gut kannst.
Machst du dort deine ,Scheiß-Sliceʻ und alles ist gut!“
Seit dieser Erklärung habe ich selbst kein Spiel mehr wegen meiner Vorhand verloren, aber relativ viele wegen meiner Vorhand gewonnen.
Das war aber der kleine Schritt für einen Menschen, und der große für die „Menschheit, die Tennis spielt“, läge darin, dass man den Ansatz populär machte, der hinter dieser brillant einfachen Erklärung steckt.
Pilic sagte, ohne es zu sagen, dass ich, wenn ich bis Mitte 40 und mit meiner sehr passablen Spielstärke etwas (den hohen Vorhand in der fallenden Phase reinzudreschen) nicht gelernt hätte, es jetzt auch nicht mehr probieren müsste und mich auch nicht mehr darüber zu ärgern bräuchte.
Er hat den Begriff des Mindsets nicht gebraucht, aber darum geht es.
Wir sind im Normaltennis alle mehr oder weniger „brainfucked“ von der absolut zentralen Idee einer richtigen Technik und glauben irgendwie alle, dass jeder alles erlernen könne, wenn er sich nur ein bisschen „zusammenreißt“ und „brav an der richtigen Technik arbeiten würde“, zumindest, wenn „ihm die wirklich richtige Technik angeboten wird!“
Das Mindset ist – und das zeigt die Vorhand-Patientenanalyse von Pilic anhand meiner Vorhand-Krankheit – ist eine völlig eigene Kategorie, die mit Technikveränderung nichts zu tun hat, im Gegenteil, sie setzt auf die vorhandene Technik auf und versucht, diese vorhandene Technik durch eine optimale strategisch-mentale Nutzungseinstellung zur bestmöglichen Entfaltung zu bringen.
Also: was geht mit deinen Mitteln – und nicht: wie erweitern wir deine Mittel!
Und über all dem, steht natürlich der brillante Anfangssatz der Pilic-Diagnose:
„Darf ich dir was sagen zu deine Vorhand?“